1. Fastensonntag, 18. Februar 2024

1. Fastensonntag
Bildrechte Johannes Eunicke

„Nanu, was sitzt denn da auf dem Stuhl?“ – das war mein erster Gedanke, als ich morgens unsere schöne Kapelle im Internistischen Zentrum (INZ) betrat: Eine Puppe!?! Wer die wohl hier vergessen hat?

Als ich näher komme, kann ich den Zettel lesen, der dabei liegt:
„Hallo, ich bin Fred! Ich bin nicht verloren gegangen. Ich sitze hier nur für diejenigen,
die nicht selbst zur Andacht kommen können,
aber das ein oder andere Gebet gut gebrauchen können“.

Toll, denke ich mir.
So ein Gebet könnte ich manchmal auch gut gebrauchen.
In Zeiten, in denen mir das Herz schwer wird.
Immer wieder komme ich in die Kapelle und bringe Gott im Gebet die Menschen, die ich gerade besucht habe. Und andere, die mir am Herzen liegen. Ich bringe vor ihn auch den Unfrieden, der in der Welt herrscht, in den Kriegs- und Notgebieten, und auch hier bei uns. Ich bringe ihm meine Ungewissheit, mein Gefühl der Ohnmacht und manchmal auch der Wut.

Die Kapelle tut mir gut; die gesammelten Gebetsbriefe in den Nischen des Altars.
Die Gebetssteine, aus früheren Gebetsbriefen geformt. Und die Kerzen, die für weitere Gebete brennen. Die Kapelle ist voll von Gesprächen mit Gott.

Und: Fred ist auch immer da!
„Fred zum Gebet“, so heißt er inzwischen bei mir.
Ich hatte ja gedacht, dass er gar nicht lange in der Kapelle bleiben wird, sondern verschwindet wie so manches anderes, was mal hier war.
Aber: Fred sitzt da, schon seit langem. Mal auf diesem Stuhl, mal auf einem anderen.
Aber immer mit „seinem“ Zettel dazu.

Fred macht mir Mut:
Es gibt viele Menschen, die beten. Die ihre Freude und ihre Not,
ihre Ratlosigkeit und ihre Hoffnung, ihre Gesundheit und ihre Krankheit,
ja auch Leben und Tod zu Gott bringen.

Und so setze ich mich in seine Nähe – und bete.
Ich bete für unsere Zeit, in der so viel Wut und Hass herrscht, die oft aus Angst geboren sind. Ich bete für die Menschen, deren Herz so viel ertragen muss.
Ich bete für mich und für alle, die mir besonders am Herzen liegen.

Und ich spüre:
Beten hat Kraft – und Beten gibt Kraft. Das was mich beschwert, kann ich abgeben. Danach ist mein Herz wieder etwas leichter, mein Blick ist freier.
Ich kann – zumindest für kurze Zeit – das loslassen, was mich festhält und ich habe die Hände frei, um wieder zu handeln.
Gebete können Mauern überwinden. Die Friedensgebete in der DDR haben das gezeigt. Auch Mauern zwischen Menschen.

Meine Rat- und Mutlosigkeit kann ich Gott sagen. Meine Schwäche und meinen Zweifel. Sogar meinen Hass darf ich zu Gott bringen. Er kann ihn wandeln in etwas, das nicht trennt, sondern verbindet, in etwas, das Kraft gibt zum Handeln.

Und bei all dem: Fred zum Gebet ist da.
Er erinnert mich daran. Auch wenn die Kapelle außer mir leer ist: Ich bin nicht allein.
Fred verbindet mich gleichsam mit allen, die beten.

Wenn Sie mögen: Kommen Sie Fred zum Gebet doch mal besuchen.
Die Kapelle im INZ ist immer offen!

Herzliche Grüße,
Ihr
Pfarrer Johannes Eunicke
Evang. Klinikseelsorger im Internistischen Zentrum
johannes.eunicke@elkb.de