Adventsmails - 7. Dezember 2025

Adventskranz, 2 Kerzen
Bildrechte Pixabay

Mehrere Türen


Fest, immer fester und zunehmend hektischer drücke ich den leuchtenden Knopf. Nichts bewegt sich. Sie geht einfach nicht auf, die Tür des roten Bähnli. An dieser Haltestelle muss ich doch raus, schießt es mir schon fast panisch durch den Kopf. In Bern kenne ich mich nicht gut aus, weiß nur, dass ich hier aussteigen soll. Eine mir unbekannte junge Schweizerin, die meinen verzweifelten Kampf wahrnimmt, springt auf, geht mit mir zur Tür gegenüber und öffnet diese. „Danke vielmals, es gibt noch Engel“ bemerke ich dankbar und steige aus. Glücklicherweise kennt mich hier ja niemand, so verflüchtigt sich mein Gefühl der Scham zügig, der gesenkte Kopf hebt sich und der freie Blick schenkt Lust, das Leben zu genießen. Viele Häuser und Gärten sind mit Lichterketten und Sternen geschmückt. Beim Laufen durch die Straßen genieße ich die Düfte von Tannenzweigen, Maroni und Glühwein, die Stimmung, die die verschneite Märchenlandschaft in mir weckt. An das Peinliche denke ich nicht weiter dran.

Woran ich jedoch nach Jahren immer noch denke, das ist mein Stehen vor der „falschen“ Tür. Diese Szene, als alles Rütteln und Kämpfen umsonst war, hat sich mir tief eingeprägt. So kann es geschehen im privaten Umfeld und zugleich in der weiten Welt: wir stehen an Türen und warten vergeblich darauf, dass sie sich öffnen.

Manchmal sterben Pläne, Lebensentwürfe, scheitern wohlvorbereitete Vorhaben. Da reicht eine ärztliche Diagnose. Oder ein Anruf aus dem Geschäft. Oder ein Brief. Und alles ist anders. Wie sehr wir daran leiden, wenn es uns persönlich trifft, wenn das Liebste, der nächste Mensch, verletzt wird. Jeder Mensch ist eine zerbrechliche Schönheit. Manchmal, wenn wir jemanden lieben, der verletzt ist oder gefährdet, und uns ängstigen um sein Leben, dann spüren wir in unserer Liebe und Sorge etwas von Gottes Liebe zu uns Menschen. Unsere Liebe hängt ja nicht von der Perfektion ab, sondern an dem Menschen, der zu mir gehört.

Meine Erwartungen können mich dazu bringen, vor der verriegelten Tür zu stehen. Weil mich meine Wünsche und Vorstellungen so blockieren, nehme ich nicht wahr, dass die gegenüberliegende Tür sich für mich öffnet. Ich müsste mich nur umdrehen, nur die Perspektive ändern und meinen Standpunkt. Wenn ich das schaffe, dann kann, mitten in der Zerbrechlichkeit des Lebens, eine Stärke der eigenen Art entstehen. Wenn ich das Leben als Geschenk betrachte, so wie es ist, nicht perfekt, sondern bedürftig, verwundet, aber dennoch so kostbar, lebendig und schön, dann kann sich Schwäche in Stärke verwandeln.

Immer wieder stelle ich fest, dass ich die Türen, die sich dann öffnen, gar nicht selbst suche. Ich werde begleitet und geführt, von Tür zu Tür.

Wenn ich die Linien der Zerbrechlichkeit meines Lebens nachziehe, dann führen mich diese Linien zu Gott, der sich ganz klein, arm und verwundbar gemacht hat, um uns nahe zu sein.

Ich wünsche Ihnen für die Advents- und Weihnachtszeit 2025: dass Sie sich Schritt um Schritt auf den Weg zur Krippe machen, zu dem Kind aufbrechen und sein unfassbares Geheimnis mit dem Herzen umkreisen.

Andrea Rank
Ehrenamtliche Klinikseelsorgerin 
UKER, Unfallchirurgie

 

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