Adventsmail - 2. Advent - 10. Dezember 2023

Das Advents-Eichhörnchen

Im Spätsommer und im Herbst schaue ich besonders gerne aus dem Fenster. Denn dann kann ich sie oft in voller Aktion beobachten: Wie sie einander spielerisch die Bäume hoch und runter jagen, kopfüber, kopfunter. Wie sie federleicht in den höchsten Höhen auf dünnen Ästen laufen, um dann im eleganten Sprung zum nächsten Baum schier zu fliegen. Und, natürlich: wie sie Schätze sammeln, und dann immer wieder nach einem geeigneten Versteck für ihre Nüsse suchen.

Seit längerem hat die Uniklinik das Eichhörnchen als Logo-Tier für sich entdeckt. Aufrecht sitzt es da, und trägt um den Hals einen weißen Schal mit dem Logo und Schriftzug des Uniklinikums. Die Idee dahinter: Der Schlosspark ist nicht weit, und besonders dort kann man immer wieder viele von ihnen erleben und bewundern, allerdings ohne Schal.

Aber was, bitte schön, soll das Eichhörnchen mit Advent zu tun haben, fragen Sie sich vielleicht. Nun ja, ich komme mir zumindest manchmal auch vor wie ein Advents-Eichhörnchen: Immer auf der Suche nach guten Gedanken für die Gottesdienste und Adventsfeiern, die ich als Klinikseelsorger (wie meine Kolleginnen und Kollegen auch) für Patienten und für und mit Mitarbeitenden gestalte.
Zugleich wie die meisten von uns bin ich auf der Suche nach dem „perfekten“ Weihnachtsgeschenk für Familie und Freunde – und manchmal suche ich auch nach einem guten Versteck zuhause, damit die Geschenke nicht vor der Zeit gefunden werden.

Das Eichhörnchen bringt mich noch auf eine andere Spur: Es sammelt für den Winter, für dürre Zeiten. Vielleicht kann ich im Advent auch Dinge sammeln, die mich und die Menschen um mich herum nähren und stärken in dürren Zeiten:

Den Geruch von gebrannten Mandeln und Glühwein vom Weihnachtsmarkt – für Zeiten, in denen mir alles stinkt.
Das fröhliche Lachen und die glänzenden Augen der Kinder auf dem Karussell – für Zeiten, in denen mir nicht so fröhlich zumute ist.
Die Zeit mit einem lieben Menschen. Oder auch ein freundlicher Blick von einem Unbekannten im Gedränge, einfach so – das tut meiner Seele gut. 
Zuhause die warme Decke, das gute Buch, dazu Plätzchen und ein heißer Tee.
Die Vorfreude auf die Freude der Beschenkten.

Und vielleicht auch die Bibelworte, die wir in dieser Zeit immer wieder hören, und in denen wir Schätze entdecken können:
„Das Volk, das im Finstern wandert, sieht ein großes Licht“ – als Hoffnungsstrahl an Tagen, an denen sich alles eher dunkel anfühlt.
„So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab“ – ich bin für Gott unendlich viel wert, auch wenn ich mich gerade nicht danach fühle.
„Seht auf und erhebt eure Herzen, weil sich eure Erlösung naht“ – für Zeiten, in denen vieles mich runterziehen will.
 
Das Eichhörnchen sammelt, um gut durch den Winter zu kommen.
Manches vergisst es – daraus wächst Neues.

Ich will versuchen, in dieser Adventszeit viel Gutes zu sammeln, für Zeiten, in denen ich es nötig brauche. Und wenn sich einiges davon auf meinem Weg verteilt und für andere wächst – umso besser!

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit!

Herzliche Grüße,
Johannes Eunicke
Evang. Pfarrer, Klinikseelsorger am Internistischen Zentrum