Einhelliges Seufzen am Mittagstisch in der Kantine. Der Kolleg*innenkreis ist sich einig: Man muss wählen gehen. Denn jede Stimme, die nicht abgegeben wird, stärkt die nicht-demokratischen Umtriebe, die inzwischen ja Partei geworden sind und in vielen Parlamente sitzen.
Also: Wählen. Aber wen? Zwischen Bratwurstbissen und Salatblättern kauen wir auf unserer Resignation herum. In unserer Kantine haben wir ja eine durchaus schmackhafte Auswahl. Aber auf dem Wahlzettel? Sorry, liebe Politiker*innen: Sie wollen alle nur das Beste, arbeiten viel und werden jedes Mal zu oft dafür beschimpft und sogar bedroht. Am Mittagstisch mischen sich trotz Ihres Einsatzes Gewissheit und Zweifel. Und beide zusammen geben einen unangenehmen Beigeschmack. Gewiss ist, dass Sie das Beste wollen. Der Zweifel dazu: Das Beste? Für wen?
Wir sind so viele! Über 84 Millionen in Deutschland. Und gehören zum „wir“ nicht die Europäer*innen, und weitergedacht, alle Lebewesen des Planeten dazu? Aber ja doch. Krieg‘ deren Wohlergehen mal unter einen Hut!
Der Apostel Paulus lag richtig, als er sinngemäß schrieb, eine Gemeinschaft sei eben genau so stark wie ihr schwächstes Glied. Nachzulesen im Ersten Brief an die Gemeinde in Korinth, Kapitel 16. Alle gehören zusammen, und wenn eine, wenn einer leidet, dann hat das Folgen für alle in der Gemeinschaft. Wie eben auch die Unzufriedenheit vieler Wähler*innen Folgen für das Wahlergebnis hat.
Freilich, schlau geschrieben ist so etwas schnell und leicht. Die Konsequenzen daraus zu ziehen fällt schwerer und dauert länger. Denn es bedeutet, dass jede und Verantwortung und Aufgaben für die Gemeinschaft hat. Nämlich das Seine bzw. Ihre dazu zu tun, dass die Gemeinschaft gelingt. Also eben selbst Frieden zu halten, pfleglich mit der Umwelt umzugehen, die Wahrheit nicht Lügen zu strafen und über den Tellerrand des Eigennutzes hinaus zu denken und zu handeln. Kurz: Selbst das zu üben, was wir von den Politiker*innen erwarten dürfen.
Wenn sich dann Kandidat*innen dadurch auszeichnen, dass sie Dreck auf Mitbewerber*innen werfen, disqualifizieren sie sich selbst. Genau so, wenn sie Flüchtlinge eiskalt als Plus-/Minusgeschäft für nationaldeutsche Interessen berechnen. Oder ernsthaft meinen, Sozial-, Bildungs- und Gesundheitspolitik seien lediglich vernachlässigbare Desserts Deluxe am Kabinettstisch. Solche Einstellungen dienen nicht dem Frieden.
Der christliche Glaube empfiehlt keine Parteien. Gleichwohl ist er parteiisch: Er steht für Freiheit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit, Schöpfungsliebe und Barmherzigkeit. Und nun sind Sie an der Reihe. Vielleicht diskutieren Sie ja auch am Kantinentisch: Wer von den Kandidat*innen tritt für diese Werte ein?
Pfarrer Frank Nie
Evangelische Klinikseelsorge Erlangen