Ein Riss im Himmel
Vom Himmel erwarten wir Menschen ja so allerhand, Gutes und Schlechtes. Alles Gute kommt von oben, heißt es. Aber auch, dass er seine Schleusen öffnen und uns fürchterlich überschwemmen kann. Dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt fürchtet sogar Majestix, der unerschrockene Häuptling unbeugsamer Gallier aus der Feder von Uderzo und Goscinny.
Und dann kommt dieser Friedrich Spee daher und bittet Gott ausgerechnet darum: „O Heiland, reiß die Himmel auf!“ Und als ob das nicht schon genug der Gewalt wäre, soll auch noch die Erde um sich schlagen wie ein Pferd: „O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd.“
Ja, Friedrich Spee wollte schon 1622 ganz dringend etwas von Gott. Ich verstehe seinen Wunsch so, und ich teile ihn: Dass Gott sich kräftig durchsetzt, quasi mit der Faust auf den Tisch haut und endlich für Frieden und ein Ende aller Not sorgt!
Er selbst beschreibt seinen Wunsch, dass Gott Himmel und Erde miteinander verbindet, so: Gott, reiß den Himmel auf und lasse ein Seil herunter. Daran kommt Jesus Christus, der Heiland, auf die Erde. Und er soll sich verteilen wie Regen auf der Erde – mit seiner Kraft, die jeden Menschen tröstet und alle Not zum Ende bringt. Und dann wird die Erde ausschlagen, weniger wie ein Pferd, sondern wie Pflanzen im Frühling: Die Erde soll erblühen, „Berg und Tal grün alles werd‘“.
Diesen Wunsch hat Gott erfüllt: Mit der Geburt Jesu sind Himmel und Erde verbunden. Allerdings wurde es nichts mit dem göttlichen Faustschlag auf den Tisch: Gottes Kraft ist vielmehr in den Schwachen mächtig; er kommt nicht als Krieger, sondern als Baby auf die Welt. Und je mehr wir auf die Schwachen unserer Gesellschaft achten – und das tun wir in unserer Klinik Tag für Tag – desto fürsorglicher und friedlicher kann und wird unsere Welt werden.
Spees Original finden Sie im Evangelischen Gesangbuch (Nummer 7) und dem katholischen Gotteslob (Nummer 231).
Pfarrer Frank Nie
Evang. Klinikseelsorger Uniklinik Chirurgie